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Artikel in mittendrin, Magazin für Ibbenbüren und Umgebung, Nr. 22, April 2006

Auch Blues ist im Verein am schönsten. Das erfuhr mittendrin bei einem Besuch des Bluesverstärker e.V., der in seinen Reihen Fans aus Osnabrück und dem Tecklenburger Land vereint. Die Enthusiasten leisten einen wichtigen Beitrag zum Ruf Osnabrücks als deutscher Blueshochburg.

400 zahlende Besucher sind da gewesen. Plus geladene Gäste, Szeneprominenz, Experten, Freunde und Verbündete. Das Haus war voll. Wieder einmal. Die Fans waren zufrieden. Man hat eine Marke gesetzt. Ist stolz darauf. Aber auch ein bisschen ängstlich. "Die Frage ist immer: Kriegt man das im nächsten Jahr genauso gut hin?", sagt Wolfgang Lampe. Adel verpflichtet: Bislang ist das Festival immer größer und besser geworden. Sein Ruf ist längst nicht mehr nur regional. Es ist ein bisschen wie beim Stabhochsprung: Unter der einmal erreichten Marke möchte niemand wieder landen. Auch nicht die Aktiven des Bluesverstärker e.V.

Am 4. März ist die 2006-er "Blueslawine" im Osnabrücker Haus der Jugend über die Bühne gegangen. Nur wenige Tage später sitzt mittendrin gemeinsam an einem Tisch mit Wolfgang Lampe, Werner Hülsmann und Peter Krüger. Die ersten beiden stehen dem Bluesverstärker e.V. vor, einem zwar kleinen, aber dafür umso rührigeren Verein von Bluesfreunden aus Osnabrück und dem Tecklenburger Land, der für das jährliche "Blueslawine"-Festival verantwortlich zeichnet und sich auch in anderer Hinsicht ganz der liebevollen Pflege dieser Musikrichtung verschrieben hat. Peter Krüger ist ein weiterer Vereinsaktiver. "Ich bin irgendwann mal shanghait worden", lacht er munter in die Runde.

Beim Stichwort Blues denken die meisten sicherlich an den Süden der USA, an dessen ausgedehnte Baumwollfelder, die einst von schwarzen Sklaven bewirtschaftet wurden. Hier wurde der Blues geboren. Doch er hat schon lange seine Ursprünge verlassen. Die "Blueslawine" und ihre Macher sind ein gutes Beispiel hierfür. Seit nunmehr zwölf Jahren findet das Festival in Osnabrück statt. Es ist kein Mega-Event, das nicht. Aber auch alles andere als unbedeutend. Osnabrück gehört mittlerweile zu den Blueshochburgen in Deutschland. Einen wichtigen Beitrag hierzu haben sicherlich die Aktivitäten der Bluesverstärker-Mannschaft geleistet, deren Stamm zehn aktive sowie zehn fördernde Mitglieder umfasst.

Zugegeben, Sport-, Karnevals- und Schützenvereine verfügen über ein ganz anderes personelles Futter. "Wir beackern eine Nische", stellt Peter Krüger fest. Dass sich neben der alljährlichen, aufwändigen und inzwischen mit relevanten Bluesgrößen aufwartenden "Blueslawine" auch eine zweiwöchentliche, auf OS Radio 104,8 ausgestrahlte eigene Radiosendung erfolgreich etabliert hat, zeugt allerdings vom Enthusiasmus der einzelnen Bluesverstärker, der eben vieles möglich macht – auch ohne Mitgliedermassen in der Vereinskartei. Dass ihr Verein bislang ein kleiner geblieben ist, dafür sehen Hülsmann, Lampe uns Krüger vor allem die Gründe im Faible selbst, das die Bluesverstärker hegen. "Für Blues begeistert man sich nicht einfach so – man muss den Blues für sich entdecken", sagt Hülsmann. "Sich in die Bluesszene hineinzufinden ist eigentlich keine schwierige, aber eine langwierige Sache", ergänzt Peter Krüger. Die Mitglieder des Bluesverstärker e.V. sind altersmäßig alle jenseits der 40 angesiedelt. "Es ist für uns durchaus schwierig, junge Mitglieder zu gewinnen – auch aus finanziellen Gründen", rundet Wolfgang Lampe das Thema ab.

Zumindest aber was die Besucherschaft der "Blueslawine" angeht, müssen sich die Bluesenthusiasten aus Osnabrück und dem Tecklenburger Land keine Sorge machen: Das Festival hat in den vergangenen Jahren immer mehr jüngere Zuschauer und –hörer angezogen. "Mein 18-jähriger Sohn zum Beispiel hört eigentlich gar keinen Blues, aber das Festival hat ihn wegen der Nähe zu den Musikern fasziniert", berichtet Krüger.

Die "Blueslawine" blickt mittlerweile auf eine zwölfjährige Geschichte zurück. Für die Macher dieses Events stehen meist schon eineinhalb Jahre im Voraus die Acts für das Festival fest. "Wir können uns vor Angeboten von Bands kaum retten", freut sich Wolfgang Lampe über den großen Andrang an Künstlern. Doch wollen die Bluesliebhaber immer etwas ganz besonderes auf die Beine stellen. Sie wählen daher genau aus und stimmen über mögliche Musiker ab. "Da gibt es schon mal die eine oder andere hitzige Diskussion. Aber niemand wird übergangen, und am Ende beschließen wir gemeinsam, wer bei der "Blueslawine" auf der Bühne stehen und spielen wird", erläutert Werner Hülsmann die Entscheidungsprozesse in Sachen "Blueslawine".

Die ist streng genommen eher eine "europäische Lawine", wie das Trio anmerkt, denn die Künstler kamen in der Vergangenheit mit einigen Ausnahmen vom eigenen Kontinent. Aus Italien etwa, aus Dänemark oder auch aus Tschechien. Die lingua franca, die "Amtssprache" des Blues, ist und bleibt jedoch Englisch.

"Ich hab' mir vor einiger Zeit mal die Mühe gemacht und Blueselemente bei den verschiedensten Musikern gesucht. Fast jeder Künstler, selbst zum Beispiel David Bowie, hat irgendwann mal was Bluesiges gemacht. Da kam schon 'ne Menge zusammen", berichtet Peter Krüger von begeisterten Forschungen in Sachen Blues und seine Auswirkungen. Die Begeisterung für die gemeinsame Sache merkt man allen Dreien an. Wenn man der Fachsimpelei der Bluesverstärker lauscht, so wird deutlich, dass alle voll in ihrem Element sind.

Die musikalischen Interessen der Mitglieder sind dabei breit gefächert. "Wir haben nicht alle den gleichen Schwerpunkt. Der eine mag Blues-Rock, der andere geht mehr in Richtung Blues-Soul... Da sind wir schon verschieden", erklärt Werner Hülsmann die unterschiedlichen Präferenzen. "Puristen würden uns erschlagen", ergänzt Peter Krüger lachend, denn er und die anderen Vereinsaktiven gehen weit über den traditionellen Blues hinaus, öffnen sich neuen Richtungen, erfinden sich ständig neu. Dafür sorgen nicht zuletzt die gut bestückten eigenen Plattensammlungen der Vereinsmitglieder. Diese Kollektionen erreichen mitunter schon mal die Tausendermarke. "Es ist nicht immer leicht, an Blues-Platten zu kommen. Aber es gibt spezialisierte Versandhäuser, da kann man Scheiben bekommen, die diese Versandfirmen direkt aus den USA beziehen", erläutert Wolfgang Lampe, wie der Blues-Junkie an seinen Stoff gelangen kann, wenn das Angebot bei den großen deutschen Dealern respektive Warenhäusern knapp wird.

Man spürt immer wieder die Leidenschaft, mit der die Bluesverstärker bei der Sache sind, fragt sich aber irgendwann, warum aus so einem kleinen Clübchen aufrichtig Begeisterter ausgerechnet ein nach allen Regeln des deutschen Vereinsrechts organisierter Verein werden musste? Ist es vielleicht am Ende die deutsche Lust an der Vereinsmeierei? "Der Entschluss, aus der Bluesverstärker-Initiative vor drei Jahren einen e.V. zu machen, hat uns anfangs Bauchschmerzen bereitet", räumt Hülsmann eine anfängliche Unsicherheit ein. "Doch dann haben wir uns gedacht, dass es die richtige Entscheidung ist und uns für die Entlastungsfunktion des Vereins entschieden. Wir wollten nämlich eine rechtlich abgesicherte und finanziell breitere Grundlage schaffen und unsere Arbeit dadurch dauerhaft finanzierbar machen".

Vorgenommen haben sich die Bluesverstärker noch vieles für die Zukunft. "Wir sind sehr froh über die diesjährige "Blueslawine". Alles hat super geklappt", freuen sie sich. Angst zu scheitern war vorhanden, sicher, aber der Wille, es immer wieder noch etwas besser machen als beim letzten Mal, bleibt. "Wir wollen immer noch ein Tüpfelchen draufsetzen!" Unter der einmal erreichten Marke möchten eben auch die Aktiven des Bluesverstärker e.V. nicht landen. Was für die Zukunft so einiges verspricht.
hag/mha/win