Blues in the 21st Century: Mythos, Selbstdarstellung und Trans-Kulturalismus
So lautet der Titel einer Monografie einer zweitägigen Konferenz in der Universität von Catania, Sicilien im November 2018.
Herausgeber sind Uwe Zagratzki, Professor für anglophone Literatur und Kultur an der Universität Szcecin und Douglas Mark Ponton, außerordentlicher Professor für englische Sprache und Übersetzung , Universität Catania.
Es ist das Ergebnis des anhaltenden Interesses der Herausgeber am Blues als musikalischem und kulturellem Phänomen und als Quelle persönlicher Inspiration.
Die Monographie fast die Beiträge von 15 Teilnehmern des Workshops zusammen und gibt einen umfassenden Einblick in die moderne Blues Forschung.
Leider gibt es diese Monographie nur auf englisch.
Im Vorwort heisst es: "Seit den Anfängen im späten, 19. Jahrhundert war der Blues immer mehr als ein Musik Stil mit richtungsweisender Wirkung für die Musik des zwanzigsten und beginnden einundzwanzigsten Jahrhunderts. Als ein Medium für den Ausdruck sozialer Umstände artikulierte er die Schwierigkeiten einer ganzen schwarzen Kultur, sowohl für die männliche als auch für die weibliche Seite. Rassen Diskurse waren integraler Teil der Entwicklung des Blues ebenso wie Klassen Diskurse , als junge weisse "Kids" in Amerika und Europa, speziell in UK, diese Musik für ihre politischen und sozialen Bedürfnisse adaptierten. In dem sie schwarze Kultur Modelle idealisierten, näherten sich (weisse) Bluesinterpretationen einerseits Mythen, brachten aber andererseits transkulturelle Features des Blues zu Vorschein. Andere Bereiche der "Performing Arts", wie Literatur, Film oder Photographie zeigen die Flexibilität des Blues. Seine Kommerzialisierung durch weisse und schwarze Record Companies , jährliche Festivals in der ganzen Welt, ist ein weiterer Beweis für seine Resilienz. Wenn man das im Gedächtnis behält, sind Zweifel bezüglich der Überlebensfähigkeit des Blues als Muskform im 21. Jahrhundert obsolet."
Das Buch konzentriert sich entweder auf bestimmte Künstler (Lightning Hopkins, Robert Johnsosn) oder auf bestimmte Songtexte (Langston Hughes`Weary Blues und Backlash Blues, Jimi Hendrix`Machine Gun) und behandelt Themen, die von Authentizität und musikwissenschaftlichen Topics in der Blues - Performance bis zum Blues in Afrika reichen.
Weniger, daß eine exakte Definition dafür geliefert wird, was "Authentizität" das Blues bedeuten könnte, setzen sich etliche Beiträge mit der Aussage des Kritikers Paul Garon auseinander, dass "Blues, wie er von Weissen zum Besten gegeben wird, unauthentisch und tief verarmt (an Vitalität und Stärke) erscheint" ("Blues as purveyed by whites appears unauthentic and deeply impoverished"). Authentizität des Blues ist etwas, mit dem sich Generationen weisser Bluesliebhaber auseinandergesetzt haben und was nicht nur in diesen Kreisen zu heftigen, glaubens-inspirierten Diskussionen führte und führt. Die Beiträge von Randolph Lewis, Diana Sfetlana Stoica, Uwe Zagratzki, Thomas Claviez, Jean Charles Khalifa und Douglas Mark Ponton versuchen, dieses Phänomen von verschiedenen Seiten zu beleuchten:
Randolph Lewis untersucht den Film: Trouble in Mind: The Blues according to Lightning Hopkins" des Filmemachers Les Blank und befindet, dass sich der Film bewegt und anfühlt wie die Musik, die er repräsentiert, in dem er die rauhen Realitäten von Lightnin Hopkins Musik in Kontrast zu seinem eigenem Milieu setzt, der künstlichen, materiell ausgerichtetem Welt einer weissen, amerikanischen Kultur.
Diana Stoica bezieht sich auf einen anderen Blickwinkel der Authentizität . Ali Farka Toure ist ein Malinesicher Musiker, tiefverwurzelt in der malinesische Kultur und Musik seines Landes. Inwiefern diese Musik dem Genre "Blues" zugerechnet werden kann, ist diskussionswürdig, zumindest zeigt sie hier einen Ansatz auf zu einer alternativen Begründung für die Wurzeln des Blues.
Uwe Zagratzki argumentiert, dass die Authentizität des Blues in seinen alternativ - kulturellen Features bestünde, die das post-moderne "Mainstreaming" überlebt haben. Moderne Bluesliebhaber adaptieren den Blues in ihre persönliche Erfahrungwelt und können so individuelle Alternativen reproduzieren, die zwar die origale "Aura" (Walter Benjamin) des Blues als Kunstwerk negieren, den Zuhörer aber jeweils individuell in die Lage versetzen, seine je alternativen Selbstdarstellungen/Überzeugungen beizubehalten.
Douglas Mark Ponton beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Gesangstechniken und anderen Aspekten der künstlerischen Performance von schwarzen und weissen Bluessängern. Jean Charles Khalifa vergleicht schwarze und weisse Bluessänger in Bezug auf diverse Features ihrer Texte.
Alles in allem ist dieses Buch eine umfassende und originelle interdisziplinäre Studie zum Thema "Blues", der sich aus Sicht des 21. Jahrhunderts als die Kulturen überschreitendes Medium zum Ausdruck sozialer und emotionaler Lebenszustände entwickelt hat, " a language and a body of cultural practices", dessen anhaltende Popularität beim weissen Publikum zeigt, daß seine Botschaft nicht nur zur "Hautfarbe" , sondern zur Seele des Menschen spricht.
Ein nicht immer einfach zu lesendes Buch, das aber allen, die sich mit Blues beschäftigen, wärmstens zu Lesen anempfohlen wird.
Bernd Falke, Bluesverstärker Osmabrück, 10/2020