Natürlich hätte mir schon längst früher die Idee kommen können über Eric Claptons Crossroads Guitar Festivals zu schreiben. Sie gab es im Drei-Jahres-Rhythmus 2004, 2007, 2010 und 2013 um Geld einzuspielen für Erics Drugs Therapy Center in Antigua. Aber leider habe ich das nicht getan.
2016 gab es kein Festival, warum auch immer, und ich dachte, 2019 würde es auch keins geben, aber da lag ich falsch. Inzwischen ist eine Veröffentlichung erschienen. Man kann es als 3er-CD und auch als 2er-DVD separat erwerben.
Alle Künstler, die Eric eingeladen hatte, konnte man nicht in den Veröffentlichungen unterbringen, aber einige, die auch früher schon dabei waren und Neulinge, mögen genannt sein: Lait, Tom Misch und Daniel Santiago.
Sonny Landreth startet das Konzert, Buddy Guy (mit Jonny Lang) ist dabei. So auch Robert Cray und Jeff Beck. Auf der DVD 2 sind als Bekannte, wie Robert Randolph, Los Lobos, Gary Clark Jr. und Vince Gill zu hören. Durch das Programm führen wie 2007 die launigen Kommentare von dem Schauspieler Bill Murray.
Aber auch neue Gesichter für dies Festival sind zu hören, wie die "Elder Lady der Slide Guitar" Bonnie Raitt und einige eher südamerikanische Klänge von Lianne La Havas. Den jungen Gitarristen James Bay sollte man im Auge behalten. Aus dem wird noch mal was. Erstmalig ein Sänger dabei, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist: Bradley Walker singt "Tulsa Time", begeitet von Vince Gill, Albert Lee und Jerry Douglas, dann folgt von Bradley: " Drifting Too Far From The Shore"
Top-Punkte erzielt natürlich die Tedeschi Trucks Band. Beim zweiten Song auf DVD 2 singt Susan Tedeschi allein, ohne Gitarre und kann nicht umhin, sich beim Gitarrenspiel ihres Ehepartners Derek Trucks wie Joe Cocker im Luftgitarrenspiel zu verhalten.
Zum Abschluss der Show auf DVD schalten sich noch mal viele Beteiligte zu einem "Happy Birthday" für den MC Bill Murray ein, der wohl an besagtem Tag Geburtstag hatte. Er wünschte Eric Clapten viel Erfolg für sein Projekt so lange, wie es ihm möglich sei, und Clapton erwiderte: "Ich mache so lange weiter, wie du es kannst."
Clapton mischte sich naturgemäß wieder in die Schlußsequenz ein, mit den Titeln "Badge", "Layla", "Purple Rain" und "High Time We Went" (wo sich alle beteiligten Gitarristen noch einmal mit Soli "austoben" durften). Den Abspann des Videos setzte Doyle Bramhall II mit der Tedeschi Trucks Band und dem wundervollen Bob Dylan-Titel "Going Going Gone" Hoffentlich kein Omen (bei dem Alter von Eric Clapton), dass es keine weiter Crossroads-Konzerte geben wird. Let's take thumps up.
Hans Peter Müller
Zum Tode des britischen Blues - und Rockmusikers Spencer Davis
"Der Mann hinter den Kulissen", so betitelt Edo Reents seinen in der FAZ vom 22.10.2020 erschienenen Nachruf auf Spencer Davis. "Zur Etablierung und Polularisierung musikalischer Genres bedarf es entweder eines Originalgenies, das ganz aus eigener Kraft schöpft, oder eines , wie man früher gesagt hätte, Orchesterleiters" fährt Reents fort. Man könnte ergänzen: auch eines Produzenten und / oder Mäzens. Was so für den Jazz sicher gilt (wie auch im Übrigen für die klassische Musik), gilt auch für die Rock - und Bluesmusik. Ohne John Mayall, Alexis Korner oder auch Chris Barber wäre die britische Blues Explosion nicht denkbar gewesen.
Spencer Davis war ursprünglich Lehrer und sprach fließend Deutsch, Französisch und Spanisch. Seine Leidenschaft aber gehörte der Musik, wobei er nie solistisch in den Vordergrund trat. Aber er konnte immer Talente an sich binden und fördern. So den jungen Steve Winwood , ein Gitarrist und Pianist mit einer unglaublich schwarzen Stimme. Er schuf damit eine Band, die mit Hits wie "Keep on Running", Gimme Some Lovin", "Somebody help me" und "I`m a man" unsterbliche Klassiker der noch jungen Rock Musik schuf, Klassiker, die heute noch jede Ü60 Party zu Schwung verhelfen. Die im Sinne der Musik der 60er Jahre massentauglich waren, jedoch nie das Genre des Blues, dem sie entstammten, ganz verließen. Spencer Davis machte auch "authentische" Blues Platten (wie derjenige Bluesfreund sagen würde, der auf Authentizität wert legt), die aber nie so an Bedeutung gewannen wie seine massentauglichen Hits. Ich selber bin als damals junger Mann auf "Georgia on my Mind" voll abgefahren, der von Steve Winwood wunderbar lyrisch - zart ins Werk gesetzte Ray Charles Hit, mit einer perlend-bluesig - jazzigen Klavierbegleitung , so gelassen und intensiv gespielt (Oscar Peterson läßt grüßen!). Besser als das Original. Steve Winwood verließ Spencer Davis nach 2 Jahren und gründete die Band Traffic und später mt Eric Clapton und Ginger Baker die Band Blind Faith.
Spencer Davis verfügte sich weiter hinter den Kulissen und betreute Bob Marley und Robert Palmer (Unter der Oberaufsicht Chris Blackwells von Island Records) und ging mit anderen Musikern wie Pete York, Chris Farlow , Mytch Rider, Rick Derringer und Brian Auger auf verschiedene Tourneen und veröffentlichte auch ab und an Blues-Alben.
Im Alter von 81 Jahren ist Spencer David Nelson Davies in seiner zweiten Heimat Los Angeles an einer Lungenentzündung gestorben.
Blues in the 21st Century: Mythos, Selbstdarstellung und Trans-Kulturalismus
So lautet der Titel einer Monografie einer zweitägigen Konferenz in der Universität von Catania, Sicilien im November 2018.
Herausgeber sind Uwe Zagratzki, Professor für anglophone Literatur und Kultur an der Universität Szcecin und Douglas Mark Ponton, außerordentlicher Professor für englische Sprache und Übersetzung , Universität Catania.
Es ist das Ergebnis des anhaltenden Interesses der Herausgeber am Blues als musikalischem und kulturellem Phänomen und als Quelle persönlicher Inspiration.
Die Monographie fast die Beiträge von 15 Teilnehmern des Workshops zusammen und gibt einen umfassenden Einblick in die moderne Blues Forschung.
Leider gibt es diese Monographie nur auf englisch.
Im Vorwort heisst es: "Seit den Anfängen im späten, 19. Jahrhundert war der Blues immer mehr als ein Musik Stil mit richtungsweisender Wirkung für die Musik des zwanzigsten und beginnden einundzwanzigsten Jahrhunderts. Als ein Medium für den Ausdruck sozialer Umstände artikulierte er die Schwierigkeiten einer ganzen schwarzen Kultur, sowohl für die männliche als auch für die weibliche Seite. Rassen Diskurse waren integraler Teil der Entwicklung des Blues ebenso wie Klassen Diskurse , als junge weisse "Kids" in Amerika und Europa, speziell in UK, diese Musik für ihre politischen und sozialen Bedürfnisse adaptierten. In dem sie schwarze Kultur Modelle idealisierten, näherten sich (weisse) Bluesinterpretationen einerseits Mythen, brachten aber andererseits transkulturelle Features des Blues zu Vorschein. Andere Bereiche der "Performing Arts", wie Literatur, Film oder Photographie zeigen die Flexibilität des Blues. Seine Kommerzialisierung durch weisse und schwarze Record Companies , jährliche Festivals in der ganzen Welt, ist ein weiterer Beweis für seine Resilienz. Wenn man das im Gedächtnis behält, sind Zweifel bezüglich der Überlebensfähigkeit des Blues als Muskform im 21. Jahrhundert obsolet."
Das Buch konzentriert sich entweder auf bestimmte Künstler (Lightning Hopkins, Robert Johnsosn) oder auf bestimmte Songtexte (Langston Hughes`Weary Blues und Backlash Blues, Jimi Hendrix`Machine Gun) und behandelt Themen, die von Authentizität und musikwissenschaftlichen Topics in der Blues - Performance bis zum Blues in Afrika reichen.
Weniger, daß eine exakte Definition dafür geliefert wird, was "Authentizität" das Blues bedeuten könnte, setzen sich etliche Beiträge mit der Aussage des Kritikers Paul Garon auseinander, dass "Blues, wie er von Weissen zum Besten gegeben wird, unauthentisch und tief verarmt (an Vitalität und Stärke) erscheint" ("Blues as purveyed by whites appears unauthentic and deeply impoverished"). Authentizität des Blues ist etwas, mit dem sich Generationen weisser Bluesliebhaber auseinandergesetzt haben und was nicht nur in diesen Kreisen zu heftigen, glaubens-inspirierten Diskussionen führte und führt. Die Beiträge von Randolph Lewis, Diana Sfetlana Stoica, Uwe Zagratzki, Thomas Claviez, Jean Charles Khalifa und Douglas Mark Ponton versuchen, dieses Phänomen von verschiedenen Seiten zu beleuchten:
Randolph Lewis untersucht den Film: Trouble in Mind: The Blues according to Lightning Hopkins" des Filmemachers Les Blank und befindet, dass sich der Film bewegt und anfühlt wie die Musik, die er repräsentiert, in dem er die rauhen Realitäten von Lightnin Hopkins Musik in Kontrast zu seinem eigenem Milieu setzt, der künstlichen, materiell ausgerichtetem Welt einer weissen, amerikanischen Kultur.
Diana Stoica bezieht sich auf einen anderen Blickwinkel der Authentizität . Ali Farka Toure ist ein Malinesicher Musiker, tiefverwurzelt in der malinesische Kultur und Musik seines Landes. Inwiefern diese Musik dem Genre "Blues" zugerechnet werden kann, ist diskussionswürdig, zumindest zeigt sie hier einen Ansatz auf zu einer alternativen Begründung für die Wurzeln des Blues.
Uwe Zagratzki argumentiert, dass die Authentizität des Blues in seinen alternativ - kulturellen Features bestünde, die das post-moderne "Mainstreaming" überlebt haben. Moderne Bluesliebhaber adaptieren den Blues in ihre persönliche Erfahrungwelt und können so individuelle Alternativen reproduzieren, die zwar die origale "Aura" (Walter Benjamin) des Blues als Kunstwerk negieren, den Zuhörer aber jeweils individuell in die Lage versetzen, seine je alternativen Selbstdarstellungen/Überzeugungen beizubehalten.
Douglas Mark Ponton beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Gesangstechniken und anderen Aspekten der künstlerischen Performance von schwarzen und weissen Bluessängern. Jean Charles Khalifa vergleicht schwarze und weisse Bluessänger in Bezug auf diverse Features ihrer Texte.
Alles in allem ist dieses Buch eine umfassende und originelle interdisziplinäre Studie zum Thema "Blues", der sich aus Sicht des 21. Jahrhunderts als die Kulturen überschreitendes Medium zum Ausdruck sozialer und emotionaler Lebenszustände entwickelt hat, " a language and a body of cultural practices", dessen anhaltende Popularität beim weissen Publikum zeigt, daß seine Botschaft nicht nur zur "Hautfarbe" , sondern zur Seele des Menschen spricht.
Ein nicht immer einfach zu lesendes Buch, das aber allen, die sich mit Blues beschäftigen, wärmstens zu Lesen anempfohlen wird.
Bernd Falke, Bluesverstärker Osmabrück, 10/2020
Floyd Lee, Gitarrist und Sänger, wurde am 20. August 1933 in Lamar, Mississipi als Theodore Williams geboren und als ein Monat alter Säugling zu Adoptiveltern gegeben. Inspiriert durch seinen Adoptivvater "Guitar Floyd", dessen Nachname er annahm, lernte er Gitarre zu spielen. Seine Adoptivmutter sang mit ihm während der Arbeit auf den Baumwollfeldern. Schon als Jugendlicher hatte Lee Auftritte bei Rent Partys. Über die Stationen Cleveland, Chicago und Columbus gelangte er nach New York City, wo er dreißig Jahre lang in und um U-Bahnstationen Musik spielte. Erst Anfang der 2000er Jahre begann er aufzunehmen. Es gibt drei CDs, eine Compilation-CD und eine Live-CD von ihm, sowie eine biografische DVD. Floyd Lee starb am 7. Juli 2020 in Columbus, Ohio im Alter von 86 an Herzversagen.
Bryan Lee stammte aus Two Rivers in Wisconsin, wo er am 16. März 1943 geboren wurde. Im Alter von acht Jahren verlor Lee sein Augenlicht. Als Teenager begann er Gitarre zu spielen und coverte mit Gleichaltrigen Musik von Elvis Presley, Little Richard und Chuck Berry. In den 1960er Jahren erwachte sein Interesse für den Chicago Blues und 1979 veröffentlichte er sein erstes Album. Im Januar 1982 zog Bryan Lee nach New Orleans und wurde mit seiner "Jump Street Five" die Hausband im Old Absynthe House, wo man 14 Jahre lang spielte. Dort im French Quarter bekam die Band eine große Gefolgschaft und erspielte sich eine solide Reputation, festgehalten in den beiden Aufnahmen "Live In The Old Absinthe House Bar, Friday and Saturday Night". Lee hat 17 CDs eingespielt, ein Compilation-Album und die Konzert-DVD "Live And Dangerous. Er war in diversen Ländern auf Tournee, aber zum Ende seines Lebens trat er wieder in New Orleans auf. Lee starb am 21. August 2020 im Alter von 77 Jahren.
Hans Peter Müller
Peter Green, Mitbegründer der Band "Fleetwood Mac", verstarb am 25. 7. 2020 auf Canvey Island, einer kleinen Insel im Südosten Englands, zur Grafschaft Essex gehörend. Dort lebte er zurückgezogen und nach Angaben seiner Familie starb er friedlich im Schlaf.
Green wurde am 29. 10. 1946 in Bethnal Green, England geboren, als viertes und jüngstes Kind einer jüdischen Arbeiterfamilie. Als Teenager begann er Gitarre zu spielen, beherrschte aber auch die Mundharmonika.
Seine erste musikalische Station war die Band von Peter Barden "Peter B's Looners", wo er aber nicht lange blieb. Oktober 1965 hatte Green die Möglichkeit, Eric Clapton bei "John Mayall's Bluesbreakers" zu vertreten. Als dann Clapton die Bluesbreakers gänzlich verließ, wurde Green ab Juli 1966 volles Bandmitglied und hatte sein Debüt mit dem Album "A Hard Road" im Jahre 1967. Aber im gleichen Jahr beschloß Green zusammen mit Mick Fleetwood, den er von Peter Barden her kannte, eine eigene Bluesband zu gründen. Neben dem Schlagzeuger Fleetwood wurden Mitglieder in der Band John McVie (dem es schwerfiel John Mayalls Band zu verlassen) am Bass, Jeremy Spencer an der Gitarre und später als weiterer Gitarrist Danny Kirwan.
Diese Band hatte ebenfalls Anteil am "British Blues Boom" auf der Insel und Green hatte sich mit den Titeln "Black Magic Woman" (später von Santana gecovert) und dem Instrumental "Albatross" selbst ein Denkmal gesetzt. Aber er kam nicht klar mit den Gebräuchen in der Musikindustrie und war zusätzlich in einer Münchner Kommune in Kontakt mit LSD gekommen, was seiner Gesundheit überhaupt nicht zuträglich war. Am 20. Mai 1970 verließ Peter Green "Fleetwood Mac".
Nachdem später auch Spencer und Kirwan nicht mehr dabei waren, wurde die Band mit amerikanischen Musikern besetzt und hob ab in Rock-Pop-Bereiche, wodurch sie weltweit bekannt wurde und einen Millionenseller nach dem anderen ablieferten.
Peter Green hingegen leistete noch einige kleine Beiträge in verschiedenen musikalischen Projekten, tauchte dann aber vollends ab, als bei ihm Schizophrenie diagnostiziert und behandelt wurde.
1979 erschien Peter Green wieder als professioneller Musiker. Mit Unterstützung seines Bruders Mike brachte er bis in die 80er Jahre eine Reihe von Alben heraus, beginnend mit "In The Skies", um dann erst mal wieder von der Bildfläche zu verschwinden.
In den späten 1990ern formierte er die "Peter Green Splinter Group" mit Hilfe seines Freundes Nigel Watson. Die Band veröffentlichte neun Bluesalben bis Green 2004 aufhörte und nach Schweden fortzog.
Im Februar 2009 begann Peter wieder zu produzieren und auf Tour zu gehen, als "Peter Green and Friends", was aber gar nicht so an die Öffentlichkeit kam. Irgendwann ab dieser Zeit muss er sich in die Stille und Abgeschiedenheit von Canvey Island zurückgezogen haben.
Hans Peter Müller